4. DER MANN UND DER SCHRIFTSTELLER

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Porträt von Jules Verne
Öl auf Leinwand, um 1875
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Der etwa 45 Jahre alte Jules Verne wird auf dem Höhepunkt seines Schaffens dargestellt, als Die Reise um die Erde in 80 Tagen im Theater Triumphe feierte, nachdem es ein riesiger Erfolg in den Buchhandlungen war, und als Die geheimnisvolle Insel erschien. Eine Gelegenheit, den rötlich-blonden Schimmer seiner Haare und seines Bartes zu entdecken, bevor sie als altersgrau in die Nachwelt eingingen.


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Stuhl, der Jules Verne gehörte
Aus dem Mobiliar des Esszimmers in der 2 Rue Charles-Dubois in Amiens
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Für Jules Verne war die Essenszeit ein äußerst wichtiger Moment.
Schon in seinen jungen Jahren in Paris litt er unter Essstörungen und akuten und chronischen Bauchschmerzen. Als er das mittlere Alter und einen angenehmen Lebensstandard erreichte, entwickelte er ein übermäßiges Verlangen nach Essen, eine Form von Bulimie. Zweifellos ein Symptom der Diabetes, an der er am 24. März 1905 starb.

Die Frage nach dem Essen beschäftigte den Autor in seinem Leben so sehr, dass sie sich auch in seinen Werken niederschlug, in denen es zahlreiche Anspielungen auf das Essen gab, von den Qualen des Hungers bis hin zu den geselligen Freuden der Tafel.

Aufgrund seiner sich verschlechternden Gesundheit unterwarf sich der alternde Jules Verne einer strengen Diät. Laut seinem Enkel Jean Jules-Verne (1892-1980) übernahm er in dieser Zeit diesen kleinen Stuhl auf kurzen Beinen. „Damit die Durchführung der Essensformalität abgekürzt wurde, benutzte er einen niedrigen Stuhl, der seinen Teller fast auf Höhe seines Mundes brachte!“


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Büsten von Jules Verne

Fabio Stecchi
Ton, 1882
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Albert Roze, nach Fabio Stecchi
Marmor, 1906
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Die Marmorbüste von Jules Verne von Albert Roze wurde nicht zu Lebzeiten des Autors angefertigt. Sie wird auf das Jahr 1906 datiert und trägt die Aufschrift „Albert Roze nach Stecchi“. Albert Roze ließ sich von einem Werk des Bildhauers Fabio Stecchi inspirieren: Diese Tonbüste von Jules Verne wurde 1883 naturgetreu angefertigt und im selben Jahr auf der Kunstmesse Salon des Artistes français in Paris vorgestellt.
Die bildhauerischen Werke von Fabio Stecchi und Albert Roze stellen das Porträt bis zu den Schultern von Jules Verne dar, den Kopf um drei Viertel gedreht und das Kinn leicht angehoben; würdevoll und elegant. Im Jahr 1883 erfasste Fabio Stecchi die Physiognomie eines damals 55-jährigen Mannes auf dem Höhepunkt seines Ruhms. Diese besondere Feierlichkeit gab Albert Roze in dieser Marmorbüste wieder, ebenso wie in der Büste, die er kurz darauf für ein Denkmal zu Ehren von Jules Verne in Amiens anfertigte.


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Champagnerschalen
Teller mit dem Monogramm „JV“ verziert
Obstschalen mit dem Monogramm „JV“ verziert
Kaffeetassen und -untertassen
Likörservice
Vorlegebesteck

In der 2 Rue Charles-Dubois in Amiens ist der Tisch gedeckt. Jules Verne verließ sein Arbeitszimmer im Obergeschoss des Hauses nur zur Essenszeit, um sich ins Erdgeschoss und ins Esszimmer zu begeben, um seinen unersättlichen Appetit zu stillen. „Hat er nicht jahrelang jeden Abend sechs riesige Artischocken aus den Hortillonnages von Amiens gegessen?“, berichtete sein Enkel, Jean Jules-Verne (1892-1980). Jules Verne aß mehr aus Notwendigkeit als aus Schlemmerei.
Die von seiner Frau Honorine Verne, die als ausgezeichnete Köchin galt, zubereiteten Gerichte verwöhnten also eher die Gäste, Standespersonen aus Amiens, die sie gerne empfing. Wenn Jules Vernes Völlerei ihre Bemühungen nicht zunichtemachte… „Man erzählt mir außergewöhnliche Geschichten von einer verschlungenen Lammkeule, während man auf die verspäteten Gäste wartete, und von einem Braten, von dem er nicht einen Krümel übrig gelassen hatte!“
Ohne Zweifel zog Jules Verne der mondänen Gesellschaft die der Journalisten vor, die er bei sich zu Hause traf. Sie hießen Adolphe Brisson, Marie Belloc, Edmondo de Amicis, Robert Sherard,… Sie kamen aus Frankreich, England, Italien, Deutschland oder Amerika, um sich mit dem damals 60-jährigen und inzwischen berühmten Autor der Außergewöhnlichen Reisen zu unterhalten.
Dies alles sind Augenblicke aus dem Privatleben von Jules Verne, an die sich vielleicht noch immer das Glas und Porzellan der Teller, Champagnergläser und Kaffeetassen erinnern…


In Schubladen

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Jules Verne
Brief an Monsieur Alliou
Amiens, den 28. März 1883
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In einem Brief an Monsieur Alliou, einen Angestellten des Hauses Hetzel, bei dem Fabio Stecchi während seiner Aufenthalte in Paris wohnte, schrieb Jules Verne:
„Sie werden in diesen Tagen eine Kiste mit der Büste erhalten, die Stecchi von mir angefertigt hat. Auf Wunsch von Monsieur Hetzel schicke ich diese Kiste an Sie, und Stecchi wird dafür sorgen, dass sie rechtzeitig im Salon eintrifft, wo die Büste ausgestellt werden soll.“


Edmondo De Amicis, italienischer Journalist.
Memoriae, „Una visita a Jules Verne“
Verlag Treves, Mailand, 1904
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„Wir sind zu Jules Verne nach Amiens gefahren, um ihn zu treffen. Dort lebt er das ganze Jahr über, zweieinhalb Stunden mit der Eisenbahn von Paris entfernt. […] Jules Verne erschien sofort. Er lächelte und streckte seine Hände nach uns aus. […] Er ist fast achtzig Jahre alt und man sieht es ihm nicht an. […] Nach der Freude, ihn zu sehen, war mein erstes Gefühl das der Verblüffung. Außer einer sichtbaren Güte und freundlichen Manieren sah ich nichts, was der Verne, der vor mir stand, mit dem Verne, den ich mir bis dahin vorgestellt hatte, gemeinsam hatten.“


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Jules Verne
Gedicht an seine Mutter Sophie Verne
[Nantes, 1842]
MJV B272 – Originalmanuskript


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Jules Verne
Brief an seinen Vater, Pierre Verne
[Paris, 1851]
MJV B33 – Originalmanuskript

„Mein Geschäft läuft gut, aber es ist noch nichts beendet.
Folgendes ist passiert. Über Arago hatte ich eine Unterredung mit Mo[c]ker, einem der besten Schauspieler der komischen Oper und Generalregisseur. Ich las ihm das Libretto vor; er war buchstäblich begeistert.“

Der Mensch hinter dem Schriftsteller
Jules Verne bewahrte sein ganzes Leben lang eine sehr liebevolle Beziehung zu seinen Eltern, seinem Bruder und seinen Schwestern. Die Briefe, die er ihnen schrieb, zeugen in einem spontanen, manchmal spöttischen Stil von seiner Veranlagung zum Schreiben, seinen ersten Karrieremöglichkeiten, dem Stand seiner literarischen Projekte, den er gerne mit seiner Familie teilte, und den persönlicheren Etappen seines Lebens.


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Jules Verne
Brief an seine Mutter Sophie Verne
Amiens, November 1856
MJV B228 – Originalmanuskript

„Du bist es nicht gewohnt, dass ich eine ganze Familie in den höchsten Tönen lobe, und dein mütterlicher Scharfsinn wird dich glauben lassen, dass etwas dahintersteckt! Ich glaube, ich bin in die 26-jährige junge Witwe verliebt! Ah! Warum hat sie zwei Kinder! Ich habe kein Glück, ich stolpere immer über Unmöglichkeiten der einen oder anderen Art.“


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Jules Verne
Brief an seinen Vater, Pierre Verne
Briefkopf Bank Fernand Eggly, Paris, den 10. März 1868
MJV B257 – Originalmanuskript

„Ich stecke mitten in Die Reise unter dem Wasser, die tatsächlich 20.000 Meilen unter dem Meer heißen wird. Ich arbeite mit größtem Vergnügen daran und hoffe, dass es sehr kurios wird. In drei oder vier Monaten, wenn ich es als Probedruck habe, werde ich versuchen, dir und Paul den ersten Band zu schicken, damit ihr nach Fehlern oder Mängeln suchen könnt. Ich wünsche mir sehr, dass diese Maschine so perfekt wie möglich wird.“


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Jules Verne
Brief an seinen Bruder, Paul Verne
Briefkopf der Société industrielle d’Amiens
Amiens, den 7. September 1894
MJV B167- Originalmanuskript

„Ich schicke dir heute den ersten Korrekturband von Die Propellerinsel. Hetzel sagte, nachdem er ihn gelesen hatte, zu mir: „Es ist ungeheuer originell, und Sie haben die Sache von ihrer Seite genommen, die von jedem anderen als von Ihnen am kühnsten wäre!“ Du wirst sehen, ob das stimmt. Ich schicke es dir, damit du deine Beobachtungen reichlich auf der leeren Seite machen kannst, wo du Platz hast. Du wirst sehen, was du zu dem ganzen mechanischen Teil zu sagen hast.“


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Jules Verne
Brief an seine Schwester, Marie Guillon-Verne
Amiens, den 17. Dezember 1899
MJV B306 – Originalmanuskript

„Was die Reise nach Nantes im Frühjahr angeht, so ist das etwas anderes und du scheinst zu vergessen, dass ich dann mein 73. Lebensjahr beginne. Ja! So ist es. Und ich bin nicht nur ein Greis, sondern auch ein alter Mann, der sich um 8 Uhr hinlegt und nirgendwo mehr hingeht. Trotzdem vielen Dank für deine Einladung.“


"Le bal travesti donné par M. Jules Verne" Le Monde Illustré, 14 avril 1877

Le bal travesti donné par M. Jules Verne (Der von Monsieur Jules Verne gegebene Maskenball)
Zeichnungen von Monsieur Vierge nach der Skizze von Monsieur Materre
Zeitschrift Le Monde Illustré, 14. April 1877
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In Amiens veranstalteten Jules Verne und seine Frau Honorine am 2. April 1877 einen Kostümball: „Am Ostermontag geben wir einen Maskenball. 700 Einladungen ausgesprochen. Mindestens 350 angenommen. Die ganze Stadt in Aufruhr… ”. Der Empfang fand in den Salons Saint-Denis statt, die zu diesem Anlass wunderschön dekoriert wurden. Viele der Gäste ließen sich für ihre Kostüme von den Figuren aus Außergewöhnliche Reisen inspirieren.


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Gédéon Basil
Grrrrande auberge du tour du monde (Grooooooße Herberge der Reise um die Erde)
Plakat, Amiens, 1885
Ausstellungsabzug (Bibliothek von Amiens Métropole)

Am 8. März 1885 erschien Jules Verne in der Livree eines Kochs, um seine Gäste zu begrüßen, die zu einem Maskenball in seinem Haus in Amiens eingeladen waren. Das gewählte Thema: Reisen! Zu diesem Anlass wurde das Haus in der 2 Rue Charles Dubois in eine „grande auberge du tour du monde“ (große Herberge der Reise um die Erde) verwandelt. Jules und Honorine haben sich als Herbergseltern verkleidet, während ihre Gäste in traditionelle Kostüme aus verschiedenen Ländern der Welt geschlüpft sind.


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Von Jules Verne unterschriebene Visitenkarte
Ende 19. Jahrhundert
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Von Jules Verne gewidmete Postkarte an Madame la Comtesse de [Franclieu]
1903
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Jules Verne
Die Eiswüste, Die Abenteuer des Kapitän Hatteras
Verlag Hetzel, Paris, um 1865
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Dieses Buch wurde vom Autor gewidmet und an die Bibliothek von Nantes geschickt: „Hommage à la Bibliothèque de Nantes, Jules Verne“ (Hommage an die Bibliothek von Nantes, Jules Verne).


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Pierre Louÿs
Graphologische Anmerkungen

Ende 19. – Anfang 20. Jahrhundert
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Pierre Louÿs, Dichter, Romanautor und leidenschaftlicher Bibliograf, schrieb Tausende von Arbeitsnotizen. Vier Blätter dieser Notizen sind der graphologischen Untersuchung von Jules Verne gewidmet. Diese Technik zur Analyse der Handschrift zielt darauf ab, die psychologischen Merkmale einer Person abzuleiten. Diese Disziplin entwickelte sich im 19. Jahrhundert und wurde bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in Europa und den Vereinigten Staaten aktiv betrieben.

Laut den Aufzeichnungen von Pierre Louÿs beschreibt seine Studie der Handschrift Jules Vernes die Absichten des Schriftstellers als reiflich überlegt, offensiv und revolutionär, beharrlich, aber auch geheimnisvoll: „Das abschließende „e“ der Unterschrift ist ein guter Schlüssel zum innersten Gedanken.“

Diese Diagnose sagt uns, dass Jules Verne selbst einige der heroischen Tugenden besaß, mit denen er seine Hauptfiguren ausgestattet hat, lässt uns aber auch wissen, dass er ein sehr „geheimnisvoller“ Mensch war, der seine innersten Gedanken verschloss.


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Pensées de Cicéron (Gedanken von Cicero)
Übersetzung durch Abt D’Olivet
Piget, Paris, 1747
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In diesem in Latein und Französisch verfassten Werk schrieb Jules Verne einige Anmerkungen. Die erste bezieht sich auf das Theater: „In der Tragödie macht das Komische einen schlechten Eindruck: das Tragische macht in der Komödie keinen besseren.“


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Hommage an Jules Verne
Acryl auf Leinwand, 2005
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Triptyk, gemalt anlässlich der internationalen Science-Fiction-Messe Utopiales (Nantes, November 2005) auf Initiative von Gilles Francescano, dem Präsidenten von Art&Fact, von Thierry Cardinet, Sandrine Geslin, Didier Graffet, Hubert de Lartigue, Manchu und Pascal Yung, um dem Jules-Verne-Museum geschenkt zu werden. Die Autoren, die mit ihrer eigenen Fantasie Besitz vom Vernes-Universum ergreifen, zeugen von der ungebrochenen Inspirationskraft des Romanautors aus Nantes.